Makers and Takers 2021 glazed ceramic

Beziehungsweisen. Äpfel mit Münzen vergleichen
Martin Karcher und Elena Malzew

Wir leben in einer chaotischen Welt, die von dichotomen Gegensätzen geordnet wird, eine symbolische Ordnung, welche sich durch die strukturelle Ähnlichkeit dieser Beziehungen stabilisiert: krumm/gerade, oben/unten, hoch/tief, Hand/Kopf, Geld/Liebe, Subjekt/Objekt, Gesellschaft/Gemeinschaft, Struktur/Handlung, etc. Dieses Ordnungsprinzip stiftet zum einen Orientierung in dieser chaotischen Welt, indem es die kaum zu ertragende Komplexität reduziert. Zum anderen ist diese Hilfskonstruktion problematisch: denn erstens sortiert sie die Welt nicht bloß, sie stellt Wertigkeiten und Hierarchien her, exemplarisch zeigt sich dies an vergeschlechtlichten Ordnungen. Und zweitens produziert sie systematisch Ausschlüsse und diszipliniert Abweichungen, d.h. sie „verletzt“ alles und all jene, die sich nicht freiwillig einer der beiden Kategorien zuordnen lassen. Was sich der Kategorisierung entzieht, wird in die Metaphysik geschoben oder durch Gewalt passend gemacht.
Neuerdings richtet sich die sozialtheoretische Aufmerksamkeit jedoch auf die vielfältigen Verstrickungen (entanglements), Beziehungen, Relationalitäten und damit auf die Erkundung der Möglichkeit eines Denkens abseits von kruden Dualismen. Als besonders produktiv erweist sich dabei der Begriff der Beziehungsweise, der „innerhalb einer Serie von binären Oppositionen angesiedelt ist, deren Ausschließlichkeit er unterwandert“. Hervorzuheben ist, dass diese Verstrickungen mehr als bloße Verbindungen zwischen gegebenen Dingen sind, vielmehr bilden sie selbst Phänomene. Erfahrbar wird dies an uns selbst, denn wir existieren in Netzen aus Beziehungen, als Subjekte haben wir keine substanzhafte Qualität, erst durch die Verhältnisse zu anderen Dingen/ Menschen entsteht unsere Subjektivität – daher auch die Rede von einer relationalen Ontologie. Dieses neue Interesse an den Beziehungsweisen bringt dann – quasi beiläufig – eine Kritik des modernen Souveränitätsphantasmas mit sich. Denn deutlich wird in dieser Perspektive, dass es kein Ich ohne Bezüge zu anderen gibt. Ferner erlaubt diese „beziehungstheoretische Perspektive“ schließlich „nach den desartikulierten Beziehungen zu fragen”, wie Bini Adamczak festhält, sie liefert also ein sensibles Instrumentarium für die Ausschlüsse und Disziplinierungen einer binären Ordnung. Damit sind wir inmitten der Ausstellung von Suse Bauer: In welchem Geflecht bewegen wir uns in der ‚Wohnstatt der Steine‘? Wir stehen vor zu Scheiben gewalzten Apfelschnitzen und Münzen, die von Löchern durchzogen sind, eingeebnet zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, Skulptur und Bildfläche gleichermaßen. Aber in welcher Beziehung stehen sie zueinander und in welche Beziehung treten wir zu ihnen? Bereits der Titel der Arbeit ‚Makers and Takers‘ (2021) verweist auf eine Relationalität. Die Distanz der (Fern-)Beziehung von Münzen und Äpfeln scheint allerdings kaum größer sein zu können. Auf der einen Seite hängen Apfelscheiben, symbolisch hoch aufgeladene Objekte vom Sündenfall über Wilhelm Tell bis zum iPhone. Auf der anderen Seite Münzgeld, dessen Abschied wir bezeugen: Kartenzahlung, Bitcoin und PayPal lassen schwere Geldbeutel und ausgebeulte Hosentaschen verschwinden. Diese Gegenüberstellung würde jedoch hinter dem hart erarbeiteten Zugang zurückfallen und nur in ein Denken in tradierten Oppositionen Natur/Apfel und Kultur/Geld führen. ‚Makers and Takers‘ ist die Erkundung eines (Spannungs-)Verhältnisses jenseits binärer Ordnungen, die Dynamik der Arbeit entsteht durch den Entzug der Möglichkeit einer einseitigen Auflösung, d.h. durch die Flucht aus der Kategorie. Eine mögliche Annäherung an ‚Makers and Takers‘ könnte das Nachdenken über die Verstrickungen von Produktionsweisen und Beziehungsweisen sein, denn wie Adamczak in einem Interview vermerkt: „Die Ware oder der Markt sind aber nicht einfach technische oder ökonomische Institutionen oder Systeme, sondern es sind spezifische Weisen, einander zu begegnen, miteinander zu leben, in eine materielle wie emotionale Beziehung zu treten.“ Die einen machen (make) die Arbeit, die anderen zahlen einen Arbeitslohn in Form von Geld und nehmen (take) bzw. stehlen im Gegenzug den entstandenen Mehrwert. Neben der funktionalen Rolle von Geld als Zahlungs- und Tauschmittel lässt sich Geld im Anschluss an Luhmann als ‘symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium’ fassen, welches Beziehungen und Beziehungsweisen transformiert (hier: ökonomisiert). Diese konsequente Veränderung der Beziehung zum Produkt der eigenen Arbeit kritisierte man vormals als Entfremdung und markierte damit ein Problembewusstsein, dass gegenwärtig zu verschwinden droht. Der skizzierte beziehungstheoretische Zugang erlaubt uns über die Gestaltung von gelungenen Beziehung nachzudenken: Von welcher Art sollen unsere Beziehungen zur Welt, zu anderen und uns selbst sein? Wie wollen wir miteinander leben?